Schmerz tut weh
Der Schmerz tut weh. Während draussen die Welt untergeht und es immer dunkler wird am eigentlich helllichten Tag, schweigt es in mir drinnen still. Der Regen wird so sehr gebraucht, man sollte sich freuen, dass es endlich regnet. Als würde die Welt endlich meine Stimmung widerspiegeln, anstatt mit den Sonnenstrahlen jeden Schatten ins Licht zu zerren. Der Schmerz ist immer da, kommt und geht in Wellen, mal intensiv, mal freundlich vertraut. Er gehört nun zu mir und ich glaube, er wird so schnell nicht gehen. Der Schmerz zwingt mich hinzuschauen, wo ich nicht hinschauen will; zu fühlen, was ich nicht fühlen will; zu verstehen, was ich nicht verstehen konnte. Vielleicht brauche ich ihn, wie der Boden den Regen braucht, um neues hervorzubringen und zu wachsen.
Ich stelle mir ein Samenkorn in der harten, trockenen Erde vor. Dann kommt der Regen, macht alles feucht und schwer, aber sagt auch, es ist Zeit. Und das Samenkorn fühlt sich da, wo es ist, wohl und geborgen. Es weiß nicht, dass eine wunderschöne Blüte aus ihm werden könnte. Es denkt sich, dass ist die Anstrengung nicht wert, die es jetzt unternehmen muss. Ein anderes Samenkorn tut, wofür es geschaffen wurde. Es denkt nicht nach, sondern tut etwas. Es streift seine Hülle ab und wächst. Und wächst und wächst. Und irgendwann später steht dort ein riesiger Baum mit dichter Blätterkrone und überdauert Generationen. Welches Samenkorn will ich sein? Wieviel Schmerz kann ich aushalten und annehmen?
Im Moment fühle ich mich, als wäre ich das Körnchen in der Erde. Ich weiß nicht, wo oben oder unten ist, wo ich hin muss/soll/kann. Alles ist dunkel und schwer um mich herum, aber es ist auch irgendwie gemütlich. Ich frage mich, wo meine Träume und Wünsche hin verschwunden sind. Immer wieder frage ich nach dem Sinn, aber nichts rührt mein Herz. Ich hänge in der Warteschleife. Das kommt mir bekannt vor. Ich hatte schon oft das Gefühl, in der Schwebe zu hängen. Und ich frage mich grade, ob das mein Leben lang so sein wird, immer wieder zu warten. Zu wissen, dass da etwas ist, was größer ist, was mehr ist, was ein Schritt hinaus aus der Schleife ist, aber der letzte Schritt fehlt. Wenn ich nur wüsste, in welche Richtung dieser Schritt ist. Egal, welche Schritte ich gehe, es scheint immer einer zu wenig zu sein. In vielen Lehren wird darauf verwiesen, das Leben im Jetzt zu leben. Vielleicht ist es das, was ich gerade versuche zu tun. Ich gehe einen Schritt nach dem Anderen, arbeite meine ToDos ab und versuche den Kopf über Wasser zu halten. Ich denke mal ans gestern und mal an die (unsichtbare) Zukunft. Ich weiß nicht, ob ich vorwärts gehe oder rückwärts. Vermutlich ist das auch Ansichtsache. Der Schmerz tut weh, ist immer präsent und sagt mir, dass ich noch lebe. Der Schmerz zeigt mir, dass du immer noch da bist und mein Leben begleitest. Was kann schon passieren, wenn du mein Schutzengel bist?
Bei der Suche nach meinem Sinn des Lebens bin ich oft darauf auf eine Frage gestoßen: Was würdest du bereuen nicht getan zu haben, wenn heute der letzte Tag deines Lebens ist? Ich finde auch darauf keine Antwort in mir. Gleichzeitig frage ich mich, ob Schatz gemerkt hat, dass er stirbt. Hat er sein ganzes Leben nochmal passiert? Hat er etwas bereut, gefühlt, sich gefragt? Was würde ich in solch einem Moment fühlen? Was hat mein Mummchen gefühlt oder meine Oma? Oder ist man von jetzt auf gleich fort und erlöst? Nein, Angst habe ich keine. Ich glaube, dass alle Seelen Frieden finden, wenn sie dieses irdische Leben verlassen, aber manchmal bin ich neugierig.
Und da mein Sternzeichen Skorpion ist, interessiert mich das Dahinter, das nicht Offensichtliche, das Tiefe. Je älter ich werde, umso mehr verliert sich die Naivität, die ich immer schon hatte. Ich lerne, dass das Offensichtliche nicht so ernst zu nehmen ist. Das Wahre versteckt sich oft irgendwo dahinter. Und auch das ist nicht in Stein gemeißelt. Vielleicht ist das einfach Leben. Ein Auf und Ab. Mehrdimensional. Mit Tiefe. Und manchmal auch ohne Tiefe.
Die Antwort auf meine Fragen kann jeden Tag unterschiedlich ausfallen oder lange gleichbleibend sein. Mein Gemüt und das Wetter könnten eine Rolle spielen. Eigentlich ist die Antwort auch ziemlich egal, solange ich sie akzeptieren kann. Wenn ich das nicht kann... mein Lieblingsmensch wurde kürzlich wieder zitiert von Schwesterherz: ..dann muss/kann/soll ich etwas ändern. Oder etwas lernen. Dieses Leben ist eine Lernaufgabe, daran glaube ich auf jeden Fall. Ich glaube auch, dass wir uns die Intensität selbst aussuchen/ausgesucht haben.
Eine Frage könnte also auch lauten, was will meine Seele in diesem Leben lernen? Bei manchen von meinen Ängsten bin ich mir nicht sicher, ob sie wirklich aus mir heraus kommen oder vielleicht aus den Generationen vor mir, das würde einfach mehr Sinn ergeben. Wie kann ich seit jeher eine so große Traurigkeit in mir haben, obwohl ich doch eine gute Kindheit und alles hatte? Ich habe es früher Melancholie genannt. Und ich habe gedacht, ich bin eben so, damit muss ich halt leben. Muss ich immer noch, aber es hat mich 1. zu diesem Menschen an diesem Zeitpunkt gemacht und das ist etwas gutes, und 2. man sucht doch immer nach Gründen: Warum? Wieso? Weshalb?. Wenn man weiß, was es ist oder warum es ist, ist es leichter damit umzugehen. Es ist immer noch eine Baustelle, aber sie ist gekennzeichnet und beschriftet, sodass man nicht einfach abstürzt und man weiß, wo man dran arbeiten sollte.
Was nicht bedeutet, dass man seine Baustellen im Dunkel immer sehen kann. Auch eine Aussage von Lieblingsmensch: Dein Kellerloch ist immer da und bereit für dich, aber es ist deine Entscheidung, ob du da unten bleibst und wie lange.
In diesem Sinne, ich klettere jetzt wieder raus, es ist wieder heller geworden. Bis zur nächsten Dunkelheit. Danke, dass DU da bist.
